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Ausnahmezustand. Ein überholtes Institut oder immer noch das beste Instrument zur Krisenbewältigung?

Publication at Faculty of Law |
2023

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Der Ausnahmezustand hat im 21. Jahrhundert sowohl im praktischen als auch im theoretischen Hinsicht eine Konjunktur erfahren. Prominente Wissenschaftler haben aufgrund der Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 schon zu Beginn des Jahrtausends im Anschluss an Benjamin davor gewarnt, dass eine Normalisierung der Ausnahme stattfindet und dass wir - fast ohne es zu merken - in einem permanenten Ausnahmezustand leben (Agamben).

Die Abfolge einer Reihe von Sicherheits-, Finanz- und Gesundheitskrisen hat nicht nur dieses Gefühl, sondern auch die Aktualität der Warnung vermutlich noch gesteigert. Angesichts der Tatsache, dass der Ausnahmezustand eine mindestens partielle Negation der "normalen" Rechtsordnung bewirkt und diese jedenfalls erheblich modifiziert, ist es wichtig diese Warnung ernst zu nehmen, da die Normalisierung der Ausnahme eine allmähliche Erosion der liberalen Rechtsstaatlichkeit herbeiführen könnte. Man kann z.B. auf die relativ neue Legislative für die Terrorismusbekämpfung in Frankreich verweisen.

Einige Autoren haben es versucht, in dem skizzierten Zusammenhang Alternativen zum Ausnahmezustand im Bereich der Krisenbewältigung vorzulegen. Beachtenswert ist besonders die Arbeit von Gross und sein "Extra-Legal Measures Model" (man kann aber auch z.B. auf einen früheren Vorschlag von Lübbe-Wolff im Gespräch mit Böckenförde hinweisen).

In meinem Beitrag möchte ich jedoch argumentieren, dass die alternativen Modelle zur Krisenbewältigung nicht in der Lage sind, das Problem der Normalisierung der Ausnahme besser als der geregelte Ausnahmezustand zu lösen. Die Kontamination der normalen Rechtsordnung mit Praktiken, die eher für den Ausnahmezustand typisch sind, ist nicht so viel eine Konsequenz der Anwendung des geregelten Ausnahmezustandes, sondern eher der Tatsache, dass heutige Gesellschaften mit Krisen (Terrorismus, Pandemie usw.) konfrontiert sind. Ihre Bekämpfung mittels Ausnahmezustand scheint immer noch die beste Lösung zu sein. Unsere Diskussion sollte sich deswegen nicht so sehr auf die Frage konzentrieren, ob der Ausnahmezustand geregelt werden soll, sondern wie.